Felix Warsawa und das Leben zwischen Alltag und Krieg

zuletzt aktualisiert: Samstag, 20. September 2025, 17:08 Uhr

Wie lebt es sich in einem Land im Krieg, abseits der Front? Zwischen Luftalarmen und dem Wunsch nach einem normalen Alltag? Diese und weitere Fragen trieben den Studenten und Dokumentarfilmer Felix Warsawa aus Schöningen in die Ukraine. Er dokumentierte über zwei Monate hinweg das Leben in den Städten Lwiw und in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw.

Auf das Thema gekommen sei er mehr durch Zufall, erzählt er im Gespräch mit der Newsify-Redaktion. „Ich war früher mehr so der Typ für Nordeuropa“, sagt er. Nach mehreren Reisen in die nordischen Länder bot ihm eine Kommilitonin ihren Platz bei einer Exkursion nach Georgien an. Sie hatte keine Zeit, mitzufahren. Er war sehr begeistert von dem Land in Osteuropa. „Das hat etwas den Weg geebnet, Osteuropa zu erkunden.“

Nach Reisen nach Armenien verabredete er sich mit einer ukrainischen Freundin, in die Ukraine zu fahren, wenn der Krieg vorbei ist. Warsawa ließ jedoch die Neugier nicht los, wie es sich lebt in einem Land, das sich im Krieg befindet. Im Februar 2025 fuhr er zum ersten Mal nach Lwiw (Liviv in deutscher Schreibweise) in der Ukraine, nahe der polnischen Grenze. Nach einer zweiten, zweiwöchigen Reise stand die Entscheidung, in den Semesterferien länger in die Ukraine zu fahren.Das Doku-Filmfestival DOK Leipzig hatte den Schöninger so begeistert, dass Warsawa eine Doku produzieren wollte.

Zwei Monate für Dreharbeiten und Freiwilligenarbeit

Vom zehnten Juli bis zehnten September war der 24-Jährige nun in der Ukraine. Dort wohnte er in Hostels und bei Leuten vor Ort. In Lwiw und Kyjiw half er in Freiwilligenprojekten und filmte das Leben in den beiden Städten.

Das Thema der Doku hatte sich aus Gesprächen mit ukrainischen Freunden und den Nachrichten entwickelt, erzählt der Student. Medien berichten hauptsächlich von der Front oder aus der Politik. Das aktive Kriegsgeschehen, in dem jeden Tag Bomben die Seiten wechseln, beschränke sich laut dem 24-Jährigen aber nur auf hauptsächlich auf den östlichen Teil des osteuropäischen Landes.

Dieses Bild haben viele vor Augen gehabt, als Warsawa zum ersten Mal erzählte, dass er in die Ukraine fährt. Weiter im Westen des Landes kämen aber nicht jeden Tag Drohnen oder Raketen an. Der Krieg ist dennoch immer im Alltag präsent. Der gebürtige Schöninger telefonierte mitunter deswegen jeden Tag mit seinen Eltern.

Ein Leben zwischen Bomben und Resignation

Für Warsawa geht es also um das Leben dazwischen. Zwischen den Fliegeralarmen, Sperrstunden, Netze flechten und Kochen für die Soldaten an der Front. Er will Leute und Orte zeigen, die versuchen, ein normales Leben zu führen. Das inkludiert für ihn auch spazieren gehen, arbeiten, Freizeit verbringen oder einfach gute Wetter draußen genießen. „Man muss irgendwo die Balance finden, den Leuten zu vermitteln, dass dort dennoch Krieg herrscht, auch wenn es nicht permanent so aussieht“, sagt er.

Drohnenangriffe gehören laut Warsawa auch in westlicheren Regionen der Ukraine – Oblasten, wie sie auf Ukrainisch genannt werden – zum Alltag. Fast wöchentlich habe er auch von Drohnenangriffen mitbekommen, sie stellenweise gehört. Der Schöninger berichtet, wie eine Metro-Station, die er filmen wollte, nachts zuvor von einer Drohne beschossen wurde. Mit der Metro würde er nicht dort hinkommen, schrieb ihm eine Freundin, weil sie nachts voller Rauch gewesen sei. „Das Schlimme ist, diese Metro-Stationen nutzen die Leute eigentlich als Schutzraum“, schildert der 24-Jährige die Ausmaße des Angriffs.

Der Schöninger bewundert, wie resilient die Ukrainer sind. Nach Angriffen seien immer schnell Personen zur Stelle, die so weit aufräumen, dass es weitergehen kann. Eines der Lieblingscafés in Kyjiw von einer Freundin von Warsawa wurde mittlerweile sechsmal bombardiert. Als der Schöninger es besuchte, hatte es keine Fenster mehr. „Aber die Leute saßen da drin mit ihren Laptops, haben gearbeitet, Kaffee bekommen, Kuchen und wurden bedient als wäre nichts gewesen.“

Abgesehen davon will Warsawa seinen ukrainischen Freunden ihre Heimat abseits zerstörter Regionen und Krieg zeigen, in die sie wegen des Krieges nicht fahren möchten. Wie schön Lwiw und Kyjiw sind und wie das Leben dort aussieht. „Mit dem Film ist es mein Ziel, meinen Freunden ein paar schöne, warme Momente von zu Hause zurückzugeben, wo sie vielleicht gerade nicht hin können, aber hoffentlich vielleicht irgendwann in naher Zukunft mal wieder.“ Außerdem will er Personen aus dem ukrainischen Ausland, die helfen wollen, ermutigen, vor Ort zu unterstützen.

Warsawa will deswegen auch zeigen, dass es im Westen der Ukraine eben nicht so friedlich ist, dass eine Rückkehr geflohener Ukrainer bedenkenlos möglich wäre. Hasskommentare in den Sozialen Medien schockieren ihn immer wieder. Von Behauptungen, dass er an der Front gewesen sei bis hin zu Aufforderungen zur Heimreise gegenüber geflohenen Ukrainern hat er fast alles gelesen, berichtet er.

Die Dokumentation ist für Warsawa Teil seines Studiums in Mediendesign in Salzgitter. Abgesehen davon, dass er mit Videoaufnahmen und Fotos arbeiten muss, hat er bei diesem Projekt, das sich über zwei Semester erstreckt, keine Beschränkungen. Bis zum Abgabetermin im Januar muss entweder ein fertiger Film oder eine kurze Serie stehen. Eine Version bei dem Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig einzureichen, wäre ein Traum von ihm.

Wann genau Warsawa das versucht, weiß er noch nicht. Er will, wenn möglich, aber zwischen den Jahren noch einmal in die Ukraine. Wieder, um zu helfen und zu filmen.

Beitragsbild: Felix Warsawa hat für eine Dokumentation in der Ukraine gedreht. Foto: Sophie Weinmann

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